Bei Medikamenten, die zusätzlich ein Zulassungsverfahren durchlaufen, in dem die Unbedenklichkeit für den Patienten evaluiert wird, reicht die in den meisten Ländern geltende Patentlaufzeit von maximal 20 Jahren nach Anmeldedatum häufig nicht aus, um die entstandenen Forschungs- und Entwicklungskosten zu amortisieren. Das verbleibende kommerzielle Zeitfenster von der Zulassung bis zum Ablauf des Patents ist mit üblicherweise weniger als 10 Jahren dafür zu klein. Als Ausgleichslösung wurde deshalb in wichtigen Industrienationen wie beispielsweise den USA 1984 mit dem „Hatch Waxman-Act“ und in der Europäischen Gemeinschaft mit der Schutzzertifikat-Verordnung 469/2009/EG (nachfolgend „SPC-VO“), die auf der am 2. Januar 1993 in Kraft getretenen Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 basiert, für zulassungspflichtige Arzneimittel eine auf maximal 5 Jahre beschränkte „Patentverlängerung“ beschlossen.

In der Europäischen Gemeinschaft ermöglicht die SPC-VO ein auf dem Basispatent aufsetzendes und sich an dieses zeitlich unmittelbar anschließendes „Ergänzendes Schutzzertifikat“ (SPC für Supplementary Protection Certificate) für Arzneimittel zu erhalten. So bestimmt Artikel 4 der SPC-VO: „In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes erstreckt sich der durch das Zertifikat gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis, das von der Genehmigung für das Inverkehrbringen des entsprechenden Arzneimittels erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Arzneimittel, die vor Ablauf des Zertifikats genehmigt wurden.“, wobei „Erzeugnis“ in Artikel 1b) SPC-VO als „Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels“ legaldefiniert ist.

In einem Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. März 2011 (Az.: 4b O 280/10) hat sich das Gericht mit der Frage beschäftigt, ob das für ein bestimmtes Erzeugnis, hier der Wirkstoff mit dem Freinamen „Valsartan“, erteilte SPC auch Erzeugnisse mit einer Wirkstoffkombination aus Valsartan und einem weiteren Wirkstoff erfasst. Das Grundpatent zum SPC schützte in einem Unteranspruch „Valsartan“ per se, d.h. jegliches Arzneimittel mit dem Wirkstoff „Valsartan“, sei es als Monoarzneimittel oder in Kombination mit weiteren Zusätzen bzw. Wirkstoffen, war vom Schutzbereich des Grundpatents erfasst.

Die Beklagte stellte in dem Verfahren richtigerweise klar, dass ein Zertifikat keine bloße Laufzeitverlängerung für ein Patent, sondern ein Schutzrecht eigener Art ist und vertrat den durchaus mutigen Standpunkt, dass die in Artikel 4 der SPC-VO enthaltene Beschränkung auf „das Erzeugnis, das von der Genehmigung für das Inverkehrbringen des entsprechenden Arzneimittels erfasst wird“, so zu verstehen sei, dass diese Beschränkung bei der Bestimmung des Schutzbereichs eines Zertifikats allgemeinen patentrechtlichen Grundsätzen vorgehe. Das für den Einzelwirkstoff Valsartan erteilte Zertifikat werde daher nicht durch Ausführungsformen mit der Wirkstoffzusammensetzung aus Valsartan in Kombination mit einem weiteren Wirkstoff verletzt.

Die Beklagte scheiterte mit ihrem Argument. Mit Rücksicht auf die Ratio und die Erwägungsgründe der SPC-VO und mit Blick auf Artikel 5 SPC-VO, wonach das Zertifikat einen mit dem Patent übereinstimmenden Schutz gewähren soll, verdrängt nach Auffassung des Gerichts die Regelung des Artikel 4 SPC-VO nicht vollständig die allgemeinen patentrechtlichen Grundsätze. Der Schutzbereich des Zertifikats für Valsartan erfasst auch sämtliche Valsartan als Wirkstoff enthaltende Kombinationspräparate.

Es bleibt daher bei dem patentrechtlichen Grundsatz, der nach den Artikeln 4 und 5 SPC-VO auch für Verfügungszertifikate gilt, dass der Schutzbereich eines Zertifikats auf ein Erzeugnis, d.h. auf einen Wirkstoff oder eine Wirkstoffkombination, nicht durch die Hinzufügung von weiteren (Wirk-)-Stoffen aus dem Schutzbereich des Zertifikats herausführt.