Wer ein Zeichen, das einer fremden geschützten Marke verwechselbar ähnlich ist, ohne Zustimmung des Markeninhabers auf der Verpackung einer Ware anbringt, verletzt die Rechte an dieser Marke. – So der Wortlaut der einschlägigen deutschen und europäischen Gesetzesbestimmungen (Markengesetz, Markenrichtlinie und Gemeinschaftsmarkenverordnung).
Wenn demnach ein Getränkeabfüller Getränke in Dosen oder Flaschen mit einem solchen problematischen Zeichen abfüllt, sollte dieser Tatbestand erfüllt sein. Denn es wird eine dauerhafte Verbindung zwischen Ware und Zeichen hergestellt. Dies gilt nach vorgenanntem Gesetzeswortlaut auch dann, wenn dem Abfüller im Auftrag eines Dritten handelt, der ihm Getränkekonzentrat und die bereits bedruckten Dosen zur Verfügung stellt und die komplette Vermarktung übernimmt.
Für den letztgenannten Fall entschied der EuGH nun jedoch genau anders herum, indem er den Wortlaut einschränkend auslegte (Urt. v. 15.12.2011 – C-119/10 – Red Bull/Winters). Wenn ein Dienstleister wie ein Getränkeabfüller nur in den „technischen Abschnitt des Prozesses der Herstellung des Endprodukts“ eingebunden sei, „ohne irgendein Interesse an der äußeren Darstellung der Dosen und insbesondere an den darauf angebrachten Zeichen zu haben“, sei er nicht als „Benutzer“ des Zeichens im Sinne des Markenrechts anzusehen. Hierbei knüpfte der EuGH an Erwägungen in vorausgegangenen Urteilen an (Urt. v. 23.3.2010 – C-236/08 – C-238/08 – Google France und Google; Urt. v. Urt. v. 12.7.2011 – C-324/09 – L’Oréal/eBay), die sich aber mit der speziellen Haftungsproblematik von Internetdienstleistern befassten. Die jetzige Entscheidung führt diese Linie über den Internetbereich hinaus fort.
Der EuGH merkte an, dass der betroffene Markeninhaber nicht schutzlos gestellt sei, denn er könne sich ja an den Auftraggeber des Getränkeabfüllers halten. Im Streitfall saß der jedoch auf den British Virgin Islands, was für den Kläger vor einige verfahrensrechtliche Herausforderungen stellt, angefangen bei der Zustellung bis hin zur Vollstreckung.
Gleichwohl scheint die Lage für Rechtsinhaber nicht hoffnungslos. Denn aus den Urteilsformulierungen ist zu schließen, dass die Haftung des Dienstleisters lediglich auf der Grundlage des Markenrechts ausgeschlossen sei. Ausdrücklich wies der Gerichtshof darauf hin, dass die Verantwortlichkeit des Abfüllers „gegebenenfalls nach anderen Rechtsvorschriften beurteilt werden“ müsse. Das dürfte als Anspielung auf die Durchsetzungsrichtlinie zu verstehen sein (Richtlinie 2004/48/EG, s. dazu Beitrag v. 1.9.2008). Diese sieht vor, dass gerichtliche Maßnahmen auch gegen „Mittelspersonen“ verhängt werden können, „deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden“ (Artt. 9, 11 der Richtlinie). Voraussetzungen und Verfahren sollen sich nach den Begründungserwägungen dieser Richtlinie nach dem Recht der Mitgliedstaaten richten. Demnach sollte im nationalen Recht Raum für die Verfolgung solcher Fälle bleiben, in Deutschland etwa nach den Grundsätzen der „Störerhaftung“ (s. z. B. Beitrag v. 5.11.2007) oder anderen Haftungsmodellen (z. B. Beitrag v. 27.4.2009). Allerdings hätte es die Rechtssicherheit gefördert, wenn der EuGH hierauf näher eingegangen wäre und wenigstens die Durchsetzungsrichtlinie ausdrücklich erwähnt hätte. Schließlich begreift er es auch sonst durchaus als seine Aufgabe, auf eventuell relevante unionsrechtliche Bestimmungen hinzuweisen, die im Verfahren noch nicht erörtert worden sind (vgl. z. B. Urt. v. 20.3.2003 – C-291/00 – Arthur et Félicie; Urt. v. 9.3.2006 – C-421/04 – MATRATZEN).