Nachdem der deutsche Gesetzgeber das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) im Sommer 2004 umfassend novelliert hatte, erließ die EU die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. Dieses Regelwerk sieht weitere Änderungen vor, die an sich bis zum 12. Juni 2007 in nationales Recht umzusetzen waren. Dies ist zwar noch nicht geschehen, jedoch verlangt die Richtlinie darüber hinaus, dass ihre Vorschriften auch ohne Umsetzung vom 12. Dezember 2007 an anzuwenden sind. Die deutschen Gerichte sind also von heute an gehalten, die Zulässigkeit von Wettbewerbshandlungen auch nach dieser Richtlinie zu prüfen.
Eine der wesentlichen Änderungen ist, dass die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts auch auf Verhaltensweisen von Unternehmen nach Abschluss von Verträgen ausgedehnt wird. Nach bisheriger deutscher Definition wurde nur Verhalten im Bereich der Absatzförderung erfasst, also i.e.L. Werbemaßnahmen. Von nun an fallen auch nachvertragliche Verhaltensweisen, etwa irreführende Angaben gegenüber Kunden über bestehende Gewährleistungsrechte, unter den Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts.
Von besonderer Bedeutung ist auch die „black list“ der Richtlinie. Dahinter verbirgt sich eine Aufzählung von 31 im Einzelnen umschriebenen Verhaltensweisen, die die Richtlinie als unzulässig qualifiziert. Während Vieles davon der bislang geltenden Rechtslage entspricht, verbirgt sich echter Zündstoff hinter dem Verbot direkter Werbeaufforderungen an Kinder, „die beworbenen Produkte zu Kaufen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene zu überreden, die beworbenen Produkte für sie zu kaufen“ (Nr. 28 der „black list“). Da dies so manche Werbekampagne in Frage stellt, ist für Streitstoff gesorgt.
Verboten ist fortan auch die „Werbung für ein Produkt, das einem Produkt eines bestimmten Herstellers ähnlich ist, in einer Weise, die den Verbraucher absichtlich dazu verleitet, zu glauben, das Produkt sei von jenem Hersteller hergestellt worden, obwohl dies nicht der Fall ist“ (Nr. 13 der „black list“). Hier werden die Gerichte zu klären haben, ob unter den Begriff der „Werbung“ auch die Produktgestaltung selbst fällt, so dass nicht nur eine bestimmte Werbeaktion, sondern der Vertrieb des Produkts insgesamt nach der „black list“ unzulässig sein kann. Wird das bejaht, stellt sich weiter die Frage, ob die deutschen Regeln zum ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz (§ 4 Nr. 9 UWG, s. dazu den Beitrag v. 22.10.2007) verschärft werden müssen. Zugunsten der Nachahmungsfreiheit haben deutsche Gerichte bislang Lockerungen bei technischen Merkmalen vorgesehen und es für möglich gehalten, dass eine Verwechslungsgefahr hinzunehmen ist, wenn der Nachahmer alles ihm Zumutbare getan hat, um Herkunftstäuschungen zu vermeiden (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2002 – I ZR 289/99 – Bremszangen). Da der Wortlaut der Richtlinie dazu keine klare Aussage trifft, wird die Rechtsprechung beantworten müssen, ob es dabei bleiben kann.
In jedem Fall erfreulich ist, dass der Bereich des Wettbewerbs nun verstärkt harmonisiert wird. Bislang war dies im Wesentlichen nur im Bereich der irreführenden und vergleichenden Werbung (Richtlinien 84/450/EWG und 97/55/EG) sowie in Spezialbereichen (z.B. Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG und 2002/65/EG) der Fall. Für den Bereich des grenzüberschreitenden Internetvertriebs, der ja besonders auf EU-weit möglichst einheitliche Regeln angewiesen ist, hatte zwar die E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG eine gewisse Erleichterung gebracht, indem Sie das Herkunftslandprinzip vorsah. Danach beurteilt sich die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Wettbewerbshandlung nach dem Recht des Staates, in dem der Werbende seine Niederlassung hat (vgl. § 3 Telemediengesetz). Dies verhindert, dass grenzüberschreitendes Marketing nach den Wettbewerbsgesetzen mehrerer Mitgliedstaaten beurteilt werden muss, verzerrt aber zugleich den Wettbewerb zu Lasten derjenigen Anbieter, die in Ländern mit relativ rigiden Wettbewerbsbestimmungen ansässig sind. Die Richtlinie 2005/29/EG führt zu einer weiteren Vereinheitlichung dieser Bestimmungen im gesamten Binnenmarkt und ist damit ein wichtiger Schritt, um diese Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. – Von einer Vollharmonisierung ist das Wettbewerbsrecht aber noch weit entfernt. Die Richtlinie 2005/29/EG klammert wichtige Problemfelder wie die gezielte Behinderung von Wettbewerbern (§ 4 Nr. 10 UWG) ebenso aus wie Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen (B2B-Bereich). In ihren einleitenden Bemerkungen („Erwägungsgründen“) fordert sie die EU-Kommission auf, über eine weitere Harmonisierung nachzudenken.