Nach Erteilung kann ein europäisches oder deutsches Patent mit einem Einspruch angegriffen werden. Dafür ist die Einspruchsfrist zu wahren (neun Monate bei europäischen Patenten, bislang noch drei Monate bei deutschen Patenten). Danach ist noch eine Nichtigkeitsklage möglich, allerdings erst nach Abschluss aller etwaigen von dritter Seite eingelegten Einsprüche (Beitrag v. 24.05.2006). Grundsätzlich ist ein Einspruchsverfahren gegenüber einer Nichtigkeitsklage vorteilhaft (Beitrag v. 04.01.2008), insbesondere aufgrund des geringeren Kostenrisikos (Beitrag v. 01.10.2009).
Die Balance dürfte sich nun noch weiter zugunsten des Einspruchsverfahrens verschieben, denn der BGH deutet in einer aktuellen Leitsatzentscheidung an, dass er künftig sehr viel häufiger in Nichtigkeitssachen an die Vorinstanz zurückverweisen wird (Urt. v. 17.7.2012 – X ZR 117/11 – Polymerschaum).
Im Nichtigkeitsverfahren entscheidet in erster Instanz das Bundespatentgericht (BPatG). Dessen zuständige Nichtigkeitssenate sind mit technischen Richtern besetzt, die in einem technischen oder naturwissenschaftlichen Fach über einen Hochschulabschluss und mehrjährige Berufserfahrung verfügen. Zweite und letzte Instanz ist der Bundesgerichtshof (BGH) als Berufungsgericht. Die Richter des zuständigen X. Zivilsenats des BGH haben normalerweise ausschließlich juristische Staatsexamina, also keine bestimmte technische (Mindest-)Vorbildung. Deshalb hatte sich über die Jahrzehnte in Nichtigkeitsberufungssachen die Routine eingeschliffen, dass der BGH regelmäßig einen gerichtlichen Sachverständigen als technischen Gutachter hinzuzog.
Nach einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2009 sollte das Nichtigkeitsberufungsverfahren jedoch gestrafft werden, um möglichst ohne Gerichtssachverständigen auszukommen (Beitrag v. 01.10.2009). Tatsachenfragen, insbesondere in technischer Hinsicht, sollten nunmehr grundsätzlich erschöpfend in I. Instanz geklärt werden. Deshalb sieht das neue Gesetz für den Fall, dass das erstinstanzliche Urteil nicht bestätigt werden kann und noch Sachaufklärung erforderlich ist, grundsätzlich die Zurückverweisung an das BPatG vor. Ausnahmsweise „kann“ der BGH in diesen Fällen dennoch selbst entscheiden, wenn er dies für „sachdienlich“ hält (§ 119 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Nach dem vorliegenden Urteil „Polymerschaum“ ist aber davon auszugehen, dass er von dieser Möglichkeit, das Verfahren selbst zu Ende zu führen, eher selten Gebrauch machen wird. Nach dem Leitsatz kommt es ihm „in erster Linie darauf an, auf welchem Weg die noch offenen Sachfragen möglichst effizient und zügig geklärt werden können“. Laut Begründung hält der BGH das BPatG aufgrund der Sachkunde seiner technischen Richter für eher befähigt, ohne zusätzlichen Sachverständigen auszukommen. Soweit es aber doch eines externen Gerichtsgutachters bedarf, etwa wenn Versuche durchzuführen sind, sei „das Patentgericht aufgrund seiner Besetzung mit rechtskundigen und technischen Mitgliedern am besten in der Lage, die Beweiserhebung sachgerecht zu steuern“. Diese recht allgemeinen Erwägungen treffen in jedem Nichtigkeitsverfahren mit noch offenen technischen Fragen zu, so dass künftig oft mit Zurückverweisungen zu rechnen ist. Das dehnt nicht nur die Verfahrensdauer, sondern erhöht noch weiter das Kostenrisiko einer Nichtigkeitsklage, da der wiedereröffnete Rechtszug vor dem BPatG gebührenrechtlich als neue Instanz gilt. Um Zurückverweisungen zu vermeiden, werden die Parteien künftig schon in der Anfangsphase des Nichtigkeitsverfahrens noch umfassender vorzutragen haben als bisher schon und beispielsweise Versuchsergebnisse im Rahmen von Privatgutachten einführen.