Grenzbeschlagnahmeverfahren dienen der effektiven Bekämpfung von Marken- und Produktpiraterie, indem sie Rechtsinhabern ermöglichen, rechtsverletzende Ware schon beim Eintritt in den Binnenmarkt abzufangen. Ein immer wiederkehrendes Problem dabei ist, dass inländische Spediteure, Frachtführer, Lagerhalter usw., die die Rechtsverletzung nicht veranlasst haben und meist auch völlig ahnungslos sind, unvermittelt zwischen die Fronten geraten (s. Beitrag v. 5.11.2007).
Das OLG Düsseldorf hat nun in einem Urteil zur Haftung von betroffenen Spediteuren Stellung genommen. Im Streitfall ging es um eine Sammelladung aus China, die patentverletzende MP3-Player enthielt. Nach dem Eintreffen auf dem Flughafen Frankfurt verfügte das Hauptzollamt Frankfurt am Main – Flughafen die Aussetzung der Überlassung der betroffenen Geräte. Der Rechtsinhaber forderte das beklagte Transportunternehmen, das mit der Auslieferung in Deutschland beauftragt worden war, auf, in die Vernichtung der Ware einzuwilligen. Die Beklagte stimmte jedoch nicht zu, denn sie hielt es für unzumutbar, dass sie als bloßer Fuhrunternehmer an der Klärung des Patentstreits mitwirken müsse.
Damit drang sie beim OLG Düsseldorf jedoch nicht durch (Urt. v. 29.11.2007 – I-2 U 51/06 – MPEG-Audio-Standard). Das Gericht bejahte ihre Haftung unter zwei Gesichtspunkten:
- Zum einen sei die Beklagte Besitzerin der Ware, da sie zunächst bei ihr eingelagert war. Dass die Ware dann in ein Zolllager verbracht wurde, ändere daran nichts. Denn dadurch sei sie immer noch „mittelbare Besitzerin“ geblieben, was genüge.
- Zum zweiten habe die Beklagte die Zollanmeldung zwar nicht im eigenen Namen, wohl aber als direkte Vertreterin des Zollanmelders i.S.d. Zollkodex’ vorgenommen. Damit hätte sie auch dann „mittelbaren Besitz“ erlangt, wenn die Ware nicht gleich in ihre Verfügungsgewalt gelangt wäre.
Wer solchermaßen an der Zollabfertigung beteiligt ist, könne sich, so das Oberlandesgericht, nicht mehr unter Hinweis auf seine „Nebenrolle“ als Spediteur, Frachtführer o.dgl. aus dem Patentstreit heraushalten. Vielmehr würden dann die Grundsätze gelten, die der Bundesgerichtshof bereits in den 1950er Jahren für die Haftung von Spediteuren bei Schutzrechtsverletzungen aufgestellt hatte (BGH, Urt. v. 15.1.1957 – I ZR 56/55 – Taeschner (Pertussin II)). Danach setzt bei Kenntnis von der vermeintlichen Rechtsverletzung eine Prüfungspflicht des Spediteurs ein. Er muss sich selbst ein Bild von der Verletzung machen, wobei er sich auch beim Versender und/oder Warenempfänger erkundigen kann. Schweigen die Auftraggeber, kann der Spediteur unter Umständen nach Treu und Glauben berechtigt sein, in die Vernichtung einzuwilligen, um sich einer eigenen Haftung zu entziehen.
Totale Passivität des Spediteurs im Fall einer Grenzbeschlagnahme führt damit geradewegs in die Haftung. Sofern nicht seine Vertragsbedingungen ein bestimmtes Prozedere in diesem Fall vorsehen, muss er eine Gratwanderung beschreiten. Verhält er sich zu zögerlich mit der Anerkennung der Ansprüche des Schutzrechtsinhabers, gerät er diesem gegenüber in Haftung. Erkennt er nicht berechtigte Ansprüche voreilig an, riskiert er Schadensersatzpflicht, wenn es zur Vernichtung kommt. Ob mangelnde Kooperativität des Auftraggebers zur Aufgabe der Ware berechtigt, ist Einzelfallfrage. U.U. wird der Spediteur daneben von seinem Recht zu Inspektion der verdächtigen Ware Gebrauch machen müssen (Art. 9 Abs. 3 der Produktpiraterieverordnung 1383/2003).