Das Grenzbeschlagnahmeverfahren bietet Inhabern von Immaterialgüterrechten ein probates Mittel, um Piraterieprodukte bereits beim Grenzübertritt abzufangen, so dass sie gar nicht erst auf den deutschen bzw. europäischen Markt gelangt. Auf Antrag beschlagnahmt der Zoll schutzrechtsverletzende Ware schon bei der Einfuhr. In Deutschland stehen den Rechteinhabern zwei Verfahrensarten zur Verfügung:
- Im Rahmen des „gemeinschaftlichen Verfahrens“ nach der EG-Verordnung 1383/2003 wird Importware bereits dann zurückgehalten, wenn sie im „Verdacht“ steht, Rechte zu verletzen. Allerdings muss der Rechteinhaber innerhalb von zehn Arbeitstagen ein Gerichtsverfahren einleiten, um die Verletzung bestätigen zu lassen (ein vereinfachtes Vernichtungsverfahren ohne Einschaltung eines Gerichts nach Art. 11 der Verordnung wird in Deutschland noch nicht praktiziert). Inhaber von Gemeinschaftsschutzrechten (Gemeinschaftsmarken, Gemeinschaftsgeschmacksmuster und gemeinschaftliche Sortenschutzschutzrechte) können mit einem Antrag die Zollbehörden der ganzen EU einschalten.
- Das „nationale Beschlagnahmeverfahren“ verlangt für eine Beschlagnahme hingegen eine „offensichtliche“ Rechtsverletzung. Dafür ist eine Vernichtung nach Beschlagnahme auch ohne Gerichtsentscheidung möglich, wenn der in Bezug auf die Ware Verfügungsberechtigte nicht binnen zwei Wochen der Beschlagnahme widerspricht. Im Gegensatz zur Verordnung 1383/2003 erfasst dieses Verfahren auch Gebrauchsmuster- und Halbleiterschutzverletzungen, Verletzungen im innergemeinschaftlichen Verkehr sowie Parallelimporte (s. BFH, Urt. v. 5.10.1999 – VII R 88/98; Urt. v. 7.10.1999 – VII R 89/98). Allerdings wird dieses Verfahren nur durchgeführt, soweit nicht die Verordnung 1383/2003 einschlägig ist. Deshalb empfiehlt es sich, beide Verfahren parallel zu beantragen.
An sich sind diese Maßnahmen recht gut geeignet, Produkt- und Markenpiraterie wirksam zu bekämpfen. Allerdings ist es ein Ärgernis, dass der Rechtsinhaber oft eine Auseinandersetzung mit dem oder den in der Zollanmeldung genannten inländischen Beteiligten – meist Spediteure oder Lagerhalter – führen muss, der oder die meist keine Ahnung von der Rechtsverletzung haben und unversehens zwischen die Fronten geraten. Wie mit deren Haftung umzugehen ist, ist zwischen den Gerichten umstritten, wie ein Beschluss des 5. Senats des OLG Hamburg vom 15. August 2007 (Az.: 5 U 188/06) verdeutlicht.
Im Streitfall ging es um markenverletzende Ware aus China, die für einen Empfänger in Tschechien bestimmt war. Beim Umschlag im Hamburger Hafen kam es zur Beschlagnahme. Im Formblatt für die Benachrichtigung des Rechtsinhabers trug die Zollbehörde einen inländischen „Auslieferungsagenten“ („Delivery Agent“) als „Empfänger“ ein, da dieser anstelle des tschechischen Endabnehmers in der „Bill of Lading“ (entspr. Konnossement) als „Consignee“ angegeben war. Tatsächlich hatte er aber nur die Aufgabe, die ihm unbekannte Sendung im Hafen abzuholen und noch in Hamburg weiter zu leiten.
Das OLG Hamburg sah den Auslieferungsagenten nicht als Täter einer Markenverletzung an. Dazu hätte es des Vorsatzes bedurft einschließlich der Kenntnis der Rechtswidrigkeit. – Das sieht beispielsweise das OLG Köln anders. Nach seiner Auffassung sind auch diejenigen Personen als Verletzer anzusehen, „die als Teilnehmer am Warenumsatz beteiligt sind, wozu etwa Kommissionäre, Spediteure, Lagerhalter, Frachtführer und sonstige mit der Beförderung von Gütern Beschäftigte gehören (…), ohne dass es auf deren Bösgläubigkeit ankäme (…)“ (OLG Köln, Urt. v. 18.8.2005 – 6 U 48/05).
Allerdings kann auch derjenige, der nicht selbst Schutzrechtsverletzer ist, als Störer haften. Eine Störerhaftung tritt ein, wenn jemand willentlich und adäquat kausal zu einer Verletzung eines Immaterialgüterrechts beigetragen und dabei Prüfungspflichten missachtet hat (vgl. zur Störerhaftung im Internet die Beiträge v. 17.10.2007 und 27.6.2007). Das OLG Hamburg hielt Solche Prüfungspflichten bei einem Auslieferungsagenten für nicht zumutbar. Störerhaftung konnte demnach erst ab Kenntnis von der Verletzung einsetzen, die selbst nach erfolgter Beschlagnahme noch nicht vorliege. – Hier besteht ein gewisser Widerspruch etwa zum „iPod“-Urteil des LG Düsseldorf, das grundsätzlich davon ausgeht, dass die Beschlagnahme Prüfungspflichten auslöst, deren Reichweite sich dann nach den Möglichkeiten des Betroffenen richtet (Urt. v. 14.12.2006 – 14c 189/06). Auch der 3. Senat des OLG Hamburg hat sich dafür ausgesprochen, dass Prüfungspflichten mit der Beschlagnahme durch den Zoll eintreten (Urt. v. 14.12.2000 – 3 U 66/00). In jenem Fall ging es zwar um eine Beschlagnahme im nationalen Verfahren, d.h. der Zoll hatte sogar eine „offensichtliche“ Rechtsverletzung angenommen (s.o.). Hierauf stellte der Senat aber nicht entscheidend ab.
Immerhin hielt der 5. Senat den Auslieferungsagenten für verpflichtet, der Sicherstellung der Piraterieware zuzustimmen. Hier kam dem Agenten zugute, dass er diesen Anspruch sofort anerkannt hatte. Da er vorgerichtlich nicht zur Zustimmung aufgefordert worden war, legte das Gericht seinem Gegner die Kosten auf (§ 93 ZPO). – Ob eine vorgerichtliche Zustimmung geholfen hätte, ist allerdings fraglich. Denn der maßgebliche Art. 13 der Verordnung 1383/2003 sieht zwingend vor, dass das gerichtliche Feststellungsverfahren eingeleitet wird. Vermeiden lässt sich das allenfalls, indem der Zollanmelder i.S.d. Art. 4 Nr. 1 Zollkodex selbst die zollamtliche Vernichtung beantragt.
Insgesamt lässt der Königsweg, wie mit der Haftung von an der Verletzung Unbeteiligten, am Verfahren aber Beteiligten umzugehen ist, weiter auf sich warten. Stets empfiehlt sich eine rasche Kontaktaufnahme mit der jeweils anderen Seite und dem zuständigen Zollamt, um auszuloten, ob eine freiwillige Vernichtung und eine gütliche Lösung der Kostenfrage in Betracht kommt.