Viele technische Standards, vor allem solche der Telekommunikation, lassen sich heutzutage oft nur durch die Ausführung einer patentgeschützten Erfindung implementieren. Die Verwendung des Standards setzt dann die Befugnisse aus dem sog. standard-essentiellen Patent voraus. Macht der Patentinhaber aus einem solchen Patent Ansprüche wegen einer Patentverletzung aufgrund der Standardimplementierung geltend, kann ihm allerdings der Einwand entgegengehalten werden, die Durchsetzung des Patents sei kartellrechtswidrig und er missbrauche dadurch seine marktbeherrschende Stellung (Art. 102 EAUV oder §§ 19, 20 GWB).
In seiner vielbeachteten Grundsatzentscheidung „Orange-Book-Standard“ hatte der Bundesgerichtshof (BGH) vor einigen Jahren die Voraussetzungen eines solchen Missbrauchs bei standard-essentiellen Patenten umrissen (BGH, Urt. v. 6.5.2009 – KZR 39/06, hierzu Beitrag v. 22.6.2009). Die Geltendmachung einer Patentverletzung gilt seitdem in der Regel dann als missbräuchlich, wenn der Patentinhaber sich weigert, mit dem Patentverletzer einen Lizenzvertrag zu nicht diskriminierenden und nicht behindernden Bedingungen abzuschließen (sog. FRAND-Bedingungen). Nach den Vorgaben des BGH liegt ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung des Patentinhabers aber nur dann vor, wenn der Patentverletzer als Lizenzsucher dem Patentinhaber ein unbedingtes Angebot zum Abschluss des Lizenzvertrages unterbreitet hat, das der Patentinhaber nicht ablehnen kann, ohne sich kartellrechtswidrig zu verhalten. Hält der Lizenzsucher die Lizenzforderung des Patentinhabers für missbräuchlich überhöht oder weigert sich der Patentinhaber, die Lizenzgebühr zu beziffern, genügt ein Lizenzangebot, bei dem der Patentinhaber die Höhe der Lizenzgebühr nach billigem Ermessen bestimmt.
Die Ausgestaltung eines solchen Lizenzangebots im Rahmen des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands ist allerdings in der Praxis seitdem weitgehend ungeklärt. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat nun in zwei Entscheidungen (Beschlüsse jeweils v. 23.1.2012 und v. 27.2.2012 – beide 6 U 136/11) die Bedingungen für ein derartiges Lizenzangebot näher konkretisiert. Im Kern drehte sich dabei der Streit in dem vorliegenden Verfahren um zwei Fragen:
Erstens, muss sich der Patentinhaber darauf einlassen, dass das Lizenzangebot keine Regelungen über die Folgen eines möglichen zukünftigen Angriffs des Lizenznehmers auf das lizenzierte Schutzrecht enthält? Muss er nicht, entschied das OLG mit Verweis auf die Regelungen des Art. 5 Abs. 1 lit. c der Technologietransfer-Gruppenfreistellungsverordnung (VO Nr. 772/2004). Danach gelten Patentlizenzverträge als kartellrechtswidrig, wenn sie die Verpflichtung des Lizenznehmers enthalten, das lizenzierte Schutzrecht nicht anzugreifen. Jedoch darf sich der Patentinhaber vorbehalten, den Lizenzvertrag in einem solchen Fall zu kündigen. Diese Grundsätze griff das OLG auf, denn der Patentinhaber dürfe sich zwar selbst nicht kartellrechtswidrig verhalten, allerdings müssen aber auch seine Interessen gewahrt bleiben (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.1.2012, juris Rn. 28 ff.).
Zweitens, ist ein zulässiges Lizenzangebot auch dann noch als unbedingt anzusehen, wenn sich der Lizenzsucher mögliche Einwendungen, die die Patentverletzung betreffen, vorbehält? Nach den Vorgaben des BGH ist der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand nämlich dann nicht erfolgreich, wenn das Lizenzangebot lediglich bedingt abgegeben wird, insbesondere unter der Bedingung, dass das Gericht die streitgegenständliche Patentverletzung bejaht (BGH Urt. v. 6.5.2009 – KZR 39/06, Rn. 32). Daraus zieht das OLG den Schluss, dass das Lizenzangebot so gefasst sein müsse, dass im Falle der Annahme des Angebots dem Lizenzsucher solche Einwendungen abgeschnitten sind, mit denen die Pflicht zur Unterlassung bzw. zum Schadensersatz bestritten wird (z.B. durch ein privates Vorbenutzungsrecht oder durch Erschöpfung; vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.2.2012, juris Rn. 34). Dies gelte allerdings dann nicht, wenn sich der Lizenzsucher lediglich eine Überprüfung der Lizenzgebührenhöhe vorbehalte. Hier verweist das OLG auf die vom BGH eröffnete Möglichkeit, die Lizenzgebührenhöhe nach billigem Ermessen durch den Patentinhaber festzulegen. Insoweit muss dem Lizenzsucher jedoch die Möglichkeit bleiben, die Bestimmung der Lizenzgebühr notfalls gerichtlich gemäß § 315 Abs. 3 BGB überprüfen zu lassen.
Nach Vorgaben des OLG Karlsruhe sind demnach folgende Punkte beim Angebot des Lizenzsuchers, eine FRAND-Lizenz nach deutschem Recht abzuschließen, zu berücksichtigen:
- Der Inhaber eines standard-essentiellen Patents darf sich bei einem FRAND-Lizenzvertrag für den Fall eines Angriffs des Lizenznehmers auf das lizenzierte Schutzrecht vorbehalten, den Vertrag zu kündigen.
- Der Lizenznehmer einer FRAND-Lizenz darf sich keine Einwendungen vorbehalten, mit denen die Pflicht zur Unterlassung oder zum Schadensersatz bestritten wird.
- Der Lizenznehmer ist jedoch nicht gehalten, sich bereits im Lizenzangebot solcher Einwendungen zu begeben, die sich lediglich auf die Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr beziehen. Zwar muss er die Pflicht zur Zahlung „dem Grunde nach“ akzeptieren, die Überprüfung der angemessenen Höhe darf aber i.S.v. § 315 Abs. 3 BGB einem Gericht vorbehalten bleiben.