Die Hypertext Markup Language (HTML) ist eine vom World Wide Web Consortium (W3C) festgelegte Auszeichnungssprache zur Darstellung von Internetseiten, die vom Browser gelesen werden können. Werden HTML-Dateien ohne Zustimmung des Autors kopiert, stellt sich die Frage der urheberrechtlichen Zulässigkeit.

Das OLG Rostock hatte sich unlängst mit einem solchen Fall zu befassen. Dabei ging es zunächst um die Frage, ob die in HTML-Code geschriebenen Dateien ein Computerprogramm i.S.d. §§ 69a ff. UrhG darstellen. Dies hätte zur Folge, dass die Anforderungen an die „Schöpfungshöhe“, also gewissermaßen die gestalterische Qualität, besonders niedrig anzusetzen wären. Die Schutzschwelle für Computerprogramme liegt generell tiefer als die für sonstige dem Urheberrechtsschutz zugängliche Werkkategorien (vgl. OLG Karls ruhe, Urt. v. 13.6.1994 – 6 U 52/94). Dies ist von der den §§ 69a ff. UrhG zugrunde liegenden EG-Richtlinie so vorgesehen (vgl. die achte Begründungserwägung jener Richtlinie 91/250/EG: „Qualitative oder ästhetische Vorzüge eines Computerprogramms sollten nicht als Kriterium für die Beurteilung der Frage angewendet werden, ob ein Programm ein individuelles Werk ist oder nicht.“)

Das Oberlandesgericht verneinte jedoch die Programmeigenschaft von HTML-Code (Beschl. v. 27.6.2007 – 2 W 12/17). Es vermisste eine ablauffähige Folge von Einzelanweisungen, zumal die HTML-Befehle allein die Formatierung der Website festlegten. Mit dieser Auffassung liegt das Gericht auf der Linie mit dem OLG Düsseldorf (Urt. v. 29.6.1999 – 20 U 85/98) und OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 22.3.2005 – 11 U 64/04), die die Frage im gleichen Sinne beantwortet hatten.

Damit war das OLG Rostock aber nicht am Ende seiner Prüfung. Es ging der Frage nach, ob der streitgegenständliche HTML-Text als andere Werkart denn als Computerprogramm urheberrechtsschutzfähig war. Soweit in dem Code ein Werk der angewandten Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) oder ein „Multimediawerk“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG) zu sehen wäre, ließ das Gericht den Schutz an der Schöpfungshöhe scheitern, indem es die gestalterische Qualität im Streitfall als lediglich „handwerklich“ qualifizierte. Dies kann bei komplexen HTML-Seiten durchaus anders sein und widerlegt eine unter Anwendern verbreitete Ansicht, HTML-Code sei generell schutzunfähig.

Im Ergebnis bejahte das OLG Rostock denn auch die Schutzfähigkeit des ihm vorgelegten Codes, und zwar deshalb, weil er in besonderer Weise suchmaschinenoptimiert war. In der erfolgreichen Suchmaschinenoptimierung erblickte das Gericht eine hinreichende Gestaltungshöhe, da das Können eines durchschnittlichen Webdesigners deutlich übertroffen worden sei. Diese Begründung lässt die Frage offen, inwieweit in einer Suchmaschinenoptimierung eine individuelle schöpferische Leistung gesehen werden kann, die allein der eigentliche Schutzgegenstand des Urheberrechts ist. Auch wenn eine erfolgreiche Optimierung für ein hohes fachliches Können des Designers spricht, so orientiert sich sein Vorgehen dabei doch eher an technischen Gesichtspunkten, namentlich der Funktionsweise von Suchmaschinen (s. etwa c’t 4/2001, S. 135). Dabei können auch Tools wie Search Engine Optimizer (SEO) zuhilfe genommen werden. Möglicherweise hätten diese Gesichtspunkte im Prozess näher ausgeleuchtet werden müssen.

Insgesamt aber bleibt festzuhalten, dass mit der Verneinung der Programmfähigkeit nicht die Frage der Schutzfähigkeit einer HTML-Seite beantwortet ist. Zu beachten ist überdies, dass auch bei Versagung jeglichen urheberrechtlichen Schutzes die Zulässigkeit der Übernahme von HTML-Dateien keineswegs feststeht. In Betracht kommt auch Geschmacksmusterschutz (s.a. c’t 4/2003, S. 84), der bei einer niedrigeren Schutzschwelle ansetzt. Gemeinschaftsgeschmacksmuster können auch ohne Eintragung gegen Nachahmungen schützen (Art. 19 Abs. 2 der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung). Geschieht die Übernahme im geschäftlichen Verkehr, kann eine unlautere Nachahmung (§ 4 Nr. 9 UWG) vorliegen.