Ein markenrechtlicher Konflikt kann auch in Fällen bestehen, in denen eine jüngere Marke einen so großen Abstand zu älteren Marken einhält, dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nicht gegeben ist. Trotz des Fehlens unmittelbarer Verwechslungsgefahr können Inhaber älterer Marken beispielsweise dann Schutz verdienen, wenn sie Inhaber einer Zeichenserie sind. Von einer Zeichenserie spricht man, wenn ein Inhaber eine Mehrzahl von Marken innehat, die durch einen gemeinsamen Stammbestandteil als Serie erkennbar sind. Nähert sich eine jüngere Marke eines anderen Inhabers an den Stammbestandteil an, so besteht die Gefahr, dass das Publikum die jüngere Marke der Zeichenserie zuordnet.
Der EuGH hat einen Fall entschieden, in dem der Widersprechende sich auf eine Zeichenserie gestützt hat (C-234/06, Urteil vom 13. September 2007). Angegriffen war die Marke „BAINBRIDGE“, gestützt war der Widerspruch auf elf in Italien eingetragene ältere Marken, die allesamt den Bestandteil „Bridge“ enthielten. Ein großer Teil der Widerspruchsmarken war noch in der Benutzungsschonfrist, die Widersprechende hatte es deswegen nicht für notwendig erachtet, die rechtserhaltende Benutzung der Marken nachzuweisen.
Der Widerspruch hatte keinen Erfolg. Eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens bestehe nur dann, wenn der Verbraucher zu Unrecht annehmen könne, dass die jüngere Marke zu der Serie von Marken gehöre. Bei einer Markenserie aus nicht benutzten Marken bestehe diese Gefahr nicht, da dem Publikum die Markenserie gar nicht bekannt sei. Schutz verdiene eine Zeichenserie nur dann, wenn die der Serie angehörenden älteren Marken auf dem Markt präsent seien.
Unberücksichtigt blieb das Argument der Klägerin, nach italienischem Recht seien in einem Widerspruchsverfahren auch „Defensivmarken“ zu berücksichtigen. Der EuGH stellte sich auf den Standpunkt, dass es an einer entsprechenden Regelung im Gemeinschaftsrecht fehle und dass nationale Rechtsvorschriften keine „berechtigten Gründe“ im Sinne des Art. 43 der Gemeinschaftsmarkenverordnung seien.
Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens besteht, wurde nur deswegen relevant, weil eine unmittelbare Verwechslungsgefahr trotz des Bestehens einer klanglichen Ähnlichkeit verneint worden war. Da die fraglichen Produkte so vermarktet werden, dass das Publikum sie beim Kauf gewöhnlich optisch wahrnehme, sei der klangliche Ähnlichkeitsgrad für die Verwechslungsgefahr von geringerer Bedeutung. Der EuGH bestätigt damit die in der Entscheidung C-206/04 P – SIR/ZIRH eingeschlagene Linie (siehe unser Beitrag vom 31. März 2006). Die frühere deutsche Praxis (z.B. BGH, Urt. v. 6.5.2004 – I ZR 223/01), nach der eine hinreichende Ähnlichkeit auf einer Wahrnehmungsebene im Regelfall ausreichte, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen, kann nicht aufrechterhalten werden.