Die Umformulierung von US-Ansprüchen zu medizinische Behandlungen mit dem typischen Wortlaut „Verfahren zur Behandlung der Krankheit Y bei einem Patienten, wobei das Verfahren die Verabreichung der Verbindung X an den Patienten umfasst“ in ein beim EPA zulässiges Anspruchsformat mit dem Wortlaut „Verbindung X zur Verwendung bei der Behandlung von Krankheit Y bei einem Patienten“ stellt keine Hürde dar und ist an der Tagesordnung, wenn US-Ursprungsanmeldungen anschließend in Europa eingereicht werden.

Ein solcher umformulierter Anspruch bietet Patentschutz für die Behandlung der spezifischen Krankheit Y, ähnlich wie der ursprüngliche US-Anspruch, deckt aber keine weiteren Krankheiten ab, für welche die Verbindung X in ähnlicher Weise als Medikament verwendet werden könnte. Um dies patentrechtlich ebenfalls abzudecken, ist das EPA-Anspruchsformat der sogenannten „ersten medizinischen Indikation“ mit dem Anspruchswortlaut „Verbindung X zur Verwendung als Medikament“ die richtige Wahl und auch zulässig, wenn es für eine solche Anspruchsformulierung eine entsprechende Stützung gemäß Art. 123(2) EPÜ in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen gibt. Eine solche Stützung gemäß Art. 123(2) EPÜ kann beispielsweise folgender Satz sein: „Die Verbindung X kann als Medikament verwendet werden, einschließlich für die Behandlung der Krankheit Y, ohne darauf beschränkt zu sein.“ An dieser Stelle ist anzumerken, dass selbst wenn es nur Daten zur Behandlung einer einzigen spezifischen Krankheit Y in den Anmeldeunterlagen gibt, der breite und nicht auf die Krankheit Y eingeschränkte Anspruch im Format der ersten medizinischen Indikation keine weiteren Belege erfordert, d.h. unter dem Offenbarungserfordernis nach Art. 83 EPÜ nicht angreifbar ist. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den USA, wo ein entsprechend breiter, aber nicht über die gesamte Anspruchsbreite mit Daten unterlegter Anspruch regelmäßig nicht dem Art. 83 EPÜ analogen „enablement requirement“ gerecht wird und daher üblicherweise auf die mit Daten unterlegte zu behandelnde Krankheit einzuschränken ist.

Die kürzlich ergangene Entscheidung T 0419/16 vom 3. Februar 2022 zeigt jedoch, dass das, was in der Theorie wunderbar klingt, in der Praxis versagt, wenn es der ursprünglichen US-Anmeldung an der erforderlichen Stützung für den dem europäischen Anspruchssatz hinzugefügten Anspruch der ersten medizinischen Indikation fehlt. So heißt es in besagter Entscheidung in Bezug auf Art. 123(2) EPÜ: „In Ermangelung einer wörtlichen Grundlage für einen ersten medizinischen Verwendungsanspruch in der Anmeldung in der eingereichten Fassung führte die Hinzufügung von Ansprüchen in dieser Anspruchskategorie zu einem zusätzlichen Gegenstand, selbst wenn es möglich gewesen wäre, einen solchen Anspruch zum Zeitpunkt der Einreichung zu formulieren.“

Obgleich also ein Anspruch der ersten medizinischen Indikation in den USA kaum Erteilungschancen hat, kann er in Europa gewährt werden und sollte daher in den europäischen Anspruchssatz auch aufgenommen werden. Für die Praxis heißt das insbesondere, dass bereits in der ursprünglichen (z.B. US-) Anmeldung eine entsprechende Stützung für einen solchen Anspruch zwingend aufgenommen werden muss, beispielsweise der Satz: „Die Verbindung X kann als Medikament verwendet werden, einschließlich für die Behandlung der Krankheit Y, ohne darauf beschränkt zu sein.“