Der urheberrechtliche Erschöpfungstatbestand setzt dem Gesetzeswortlauf nach das Vorliegen eines Vervielfältigungsstücks des Werks voraus. Ist dieses mit Zustimmung des Rechteinhabers in der EU oder dem EWR durch Veräußerung in den Verkehr gelangt, kann sich dieser dem weiteren Vertrieb dieses Vervielfältigungsstücks nicht widersetzen (§ 17 Abs. 2 UrhG; für Software: § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG).
Seitdem urheberrechtlich geschützte Werke über das Internet per Download vertrieben werden, ist in der Diskussion, wie es sich hierbei mit Erschöpfung verhält. Die Tendenz der Gerichte geht dahin, die Erschöpfung in solchen Fällen zu verneinen, wie aktuelle Entscheidungen zeigen.
So versagte das OLG Frankfurt einem Beklagten die Prozesskostenhilfe, der von Microsoft wegen des unautorisierten Vertriebs von Echtheitszertifikaten für Software belangt worden war. Die Verteidigung sei aussichtslos, so das OLG, denn auch wenn die Zertifikate dem Erwerber den Download der Software ermöglichten, seien sie nicht als Werkstück zu behandeln. Der Download sei eine Vervielfältigungshandlung, für die Erschöpfung nicht möglich sei (Beschl. v. 12.5.2009 – 11 W 15/09).
Dem pflichtete das OLG Düsseldorf bei in einem Fall, in dem es nicht um Downloads, sondern um Software ging, die ausschließlich vorinstalliert auf Rechnern vertrieben wurde. Die Erwerber fertigten befugtermaßen Sicherungskopien an, löschten die Installation auf ihrem Rechner und übergaben die Sicherungskopien einem Händler zum Weitervertrieb. Während das Landgericht dieses Vertriebsmodell für zulässig erachtete, erließ das OLG eine Verbotsverfügung. Nach traditionellem Verständnis ziele das Rechtsinstitut der Erschöpfung darauf ab, dass die freie Zirkulation einer einmal regulär veräußerten Ware nicht durch Urheberrechte behindert wird. Danach müsse der Rechteinhaber nur die Weiterveräußerung der Computer mit den Erstinstallationen, nicht aber den isolierten Vertrieb von Softwarekopien dulden (Urt. v. 29.6.2009 – I-20 U 247/08).
In einer weiteren Entscheidung ließ das LG Berlin den Erschöpfungsgrundsatz beim Musikvertrieb über das Internet nicht durchgreifen. Zur Begründung verwies die zuständige Zivilkammer auf die Frankfurter Entscheidung sowie darauf, dass die E-Commerce-Richtlinie eine Erschöpfung nur an materiell verkörperten Vervielfältigungsstücken vorsehe. Es sei daher auch möglich, den Weitervertrieb in AGB zu untersagen (Urt. v. 14.7.2009 – 16 O 67/08).
Die Gerichte sind den Rechteinhabern demnach in dieser Frage recht freundlich gesonnen. Das eröffnet Spielräume für moderne Vertriebssysteme für urheberrechtlich geschützte Inhalte.