Laut einem Beschluss des Präsidenten des EPA sollen ab 1. Januar 2023 Videokonferenzen zum Standardformat der mündlichen Verhandlungen vor Prüfungsabteilungen, Einspruchsabteilungen, der Rechtsabteilung und der Eingangsstelle des EPA werden. Mündliche Verhandlungen können nur persönlich durchgeführt werden, entweder auf Antrag eines Beteiligten oder auf Veranlassung der Abteilung, wenn ernsthafte Gründe gegen die Durchführung als Videokonferenz sprechen.
Im Vorfeld des Beschlusses des Präsidenten hat das EPA eine Zufriedenheitsumfrage im Rahmen des Pilotprojekts für mündliche Einspruchsverhandlungen als Videokonferenzen während der Covid-19-Pandemie durchgeführt. 77 % der 342 Befragten, die an mindestens einer Einspruchsverhandlung als Videokonferenz teilgenommen hatten, bewerteten diese als „gut“ oder „sehr gut“. Als Vorteile werden u.a. eine größere Transparenz durch eine einfachere Beteiligung der Öffentlichkeit, Kostensenkungen für die Beteiligten, ein direkter Zugang zu echten mündlichen Verhandlungen für Patentanwaltskandidaten und eine bessere Umweltverträglichkeit angesehen.
Trotz der Vorteile der Videokonferenz für mündliche Verhandlungen, überrascht die Ankündigung etwas in Anbetracht der Vorlagesache der Großen Beschwerdekammer G 1/21, in der in den Entscheidungsgründen, Rn. 45, die persönliche Anhörung noch als optimales Format und Standardoption bezeichnet wird, die den Parteien nur aus guten Gründen verwehrt werden kann. Auch wenn die Große Beschwerdekammer den Anwendungsbereich der Entscheidung auf zweitinstanzliche mündliche Verfahren beschränkt hat (siehe Aktuelles vom 23. Juli 2021), kann man dennoch argumentieren, dass die von der Großen Beschwerdekammer genannten Gründe auch für erstinstanzliche Verfahren gelten sollten. In Anbetracht dessen wird es interessant sein zu sehen, wie die erstinstanzlichen Abteilungen Anträge auf persönliche Anhörungen behandeln werden und welche Art von Gründen als ernsthaft genug angesehen werden, um eine persönliche mündliche Anhörung zu rechtfertigen.