Rechte am geistigen Eigentum lassen sich in der Anonymität des Internets besonders leicht verletzen. Online können rechtsverletzende Inhalte und Waren angeboten werden, ohne dass die eigene Identität in irgendeiner Phase des illegalen Vertriebs aufgedeckt werden muss. Der Täter hinterlässt lediglich einen „virtuellen Fußabdruck“ in Gestalt einer dynamischen Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse) und dazugehörigem Timestamp nebst Timezone. Um mit diesen Verkehrsdaten den vom Täter benutzten Internetzugang und von hier aus den Täter selbst ermitteln zu können, müssen beim Internetzugangsprovider Bestandsdaten für die fragliche Onlinesitzung, insbesondere der Name des Anschlussinhabers, abgefragt werden.
Für eine solche Bestandsdatenabfrage müssen nach geltender Rechtslage die Strafverfolgungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaft) eingeschaltet werden. Da die vorsätzliche Verletzung von Rechten am geistigen Eigentum eine Straftat darstellt, ist dies grundsätzlich möglich. Im Wege der Akteneinsicht in die Ermittlungsakte kann sich der Geschädigte dann die für die Durchsetzung seiner zivilrechtlicher Ansprüche erforderlichen Informationen beschaffen (zur Zulässigkeit der Nutzung der Akteneinsicht für die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche s. Mannheim, Urt. v. 24.11.2006 – 7 O 128/06). Ein erhebliches Problem lag jedoch bisher darin, dass die Provider für die Erteilung der Auskunft ihre intern aufgezeichneten Verkehrsdaten mit denen der Ermittler abgleichen müssen, die sie aber aus Gründen des Datenschutzes nur für Abrechnungszwecke und damit nur für kurze Zeit speichern durften. Viele Ermittlungen scheiterten folglich daran, dass die Verkehrsdaten beim Provider zum Zeitpunkt der Anfrage der Verfolgungsbehörden schon gelöscht waren. Bei Internetznutzern mit Flatrate wurde es obendrein als unzulässig angesehen, die Verkehrsdaten überhaupt zu speichern, da sie für eine Abrechnung naturgemäß nicht erforderlich waren (LG Darmstadt, Urt. v. 25.1.2006 – 25 S 118/05). Den Rechtesverletzungen solcher Täter mussten Geschädigte bisher tatenlos zu sehen. Kaum minder ärgerlich waren die Fälle, in denen der Provider zunächst versehentlich eine falsche Auskunft erteilt und die Daten vor einer Korrektur gelöscht hat (s. hierzu den Fall des Amtsgerichts Hamburg-Altona, wo der fälschlicherweise belangte Internetnutzer vom geschädigten Rechteinhaber über 4.000 € Schadensersatz verlangt – in erster Instanz erfolgreich, Urt. v. 11.12.2007 – 316 C 127/07).
Diesen Missständen wird nun abgeholfen. Wie das Bundespräsidialamt über Weihnachten bekannt gegeben hat, hat Bundespräsident Horst Köhler das „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG“ ausgefertigt. Damit trifft Anbieter von Internetzugangsdiensten spätestens ab 1. Januar 2009 die Pflicht zur Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten für eine Dauer von sechs Monaten (§ 113a des Telekommunikationsgesetzes, TKG). Nach dem Willen des Gesetzgebers besteht die Speicherungspflicht auch für Anonymisierungsdienste, so dass diese Tarnungsmöglichkeit Rechtsverletzern künftig wenig Schutz bietet.
Soweit der „Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung“ gegen das Gesetz Verfassungsbeschwerde eingelegt hat, tritt darin freilich wenig Verständnis für das Recht des geistigen Eigentums zu Tage (wörtlich in der Beschwerdeschrift: „… In anderen Fällen würde die Unterbindung illegaler Kopien dazu führen, dass auf die Benutzung der Software gänzlich verzichtet würde. …“). Dass auch das geistige Eigentum unter die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes fällt und somit Grundrechtsrang genießt (z.B. BGH, Urt. v. 6.10.1981 – X ZR 57/80 – Pneumatische Einrichtung, OLG München, Urt. v. 28.7.2005 – 29 U 2887/05 – AnyDVD), wird in der Beschwerdebegründung nicht erwähnt. Falls die Verfassungsbeschwerde im Hauptsacheverfahren nicht schon daran scheitert, dass der deutsche Gesetzgeber nur die Mindestvorgaben der Richtlinie 2006/24/EG umsetzte und somit überhaupt keinen Handlungsspielraum hatte, wird sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage zu befassen haben, ob es das Fernmeldegeheimnis und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wirklich erfordern, dass Grundrechtsträger wie die Inhaber geistiger Eigentumsrechte Verletzungen ihrer Rechtsgüter folgenlos hinzunehmen haben. Gegen die Richtlinie selbst ist seit Juli 2006 eine Nichtigkeitsklage der Republik Irland beim EuGH anhängig (Az.: C 301/06). Diese rügt allerdings nur formelle Mängel. Von der Sache her herrscht sowohl auf EU-Ebene als auch beim deutschen Gesetzgeber weit gehend Einigkeit, dass die Vorratsdatenspeicherung unverzichtbar ist, um bestimmte Rechtsgutsverletzungen überhaupt bekämpfen zu können.
Die Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf nimmt auch zu der bisher umstrittenen Frage Stellung, ob Provider die Bestandsdaten den Ermittlungsbehörden bereits auf deren Anfrage (§ 113 TKG) mitzuteilen hat oder ob erst ein Gerichtsbeschluss zu erwirken ist (§ 100g StPO). Die Begründung spricht sich klar gegen das Erfordernis eines Gerichtsbeschlusses aus. Eine Klarstellung im Gesetz wird aber nicht für nötig gehalten, da der Gesetzgeber die Rechtsprechung bereits auf seiner Seite sieht (hierzu werden Beschlüsse der Landgerichte Stuttgart, Hamburg, Würzburg und Hechingen zitiert, wohingegen das Landgericht Bonn offenbar noch eine richterliche Anordnung noch für erforderlich ansieht).
Eine weitere Verbesserung der Verfolgungsmöglichkeiten wird das „Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums“ bringen, mit dem die „Enforcement Directive“ (Richtlinie 2004/48/EG) umgesetzt werden soll. Damit werden die zivilrechtlichen Drittauskunftsansprüche ausgeweitet, so dass die Einleitung eines Strafverfahrens nicht mehr erforderlich sein wird. Zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 des Grundgesetzes) ist, sofern eine Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten erteilt werden kann, eine zivilgerichtliche Entscheidung einzuholen (FGG-Verfahren). Leider befindet sich dieses Gesetzgebungsvorhaben seit langem immer noch im Entwurfsstadium (s. unseren Beitrag v. 5.2.2007), obwohl die Umsetzungsfrist bereits im April 2006 abgelaufen war.