Wird für eine spätere Patentanmeldung die Priorität einer früheren Prioritätsanmeldung wirksam in Anspruch genommen, so hat dies zur Folge, dass die spätere Anmeldung für die Frage der Patentfähigkeit so behandelt wird, als wäre sie an demselben Tag angemeldet worden wie die Prioritätsanmeldung. Es kann also beispielsweise ein Dokument, das nach dem Anmeldetag der Prioritätsanmeldung, jedoch vor dem Anmeldetag der späteren Anmeldung öffentlich zugänglich wurde, der späteren Anmeldung nicht entgegengehalten werden. Nach deutschem und europäischem Recht setzt die wirksame Inanspruchnahme einer Priorität unter anderem voraus, dass entweder der Anmelder der Prioritätsanmeldung selbst oder dessen Rechtsnachfolger die spätere Anmeldung vornimmt.
In den USA ist das Einreichen einer Patentanmeldung durch einen Rechtsnachfolger des Erfinders nicht zulässig, vielmehr muss immer der Erfinder selbst die Anmeldung einreichen. Dies hat Auswirkungen auf die Voraussetzungen für die wirksame Inanspruchnahme einer Priorität. So muss gemäß § 35 U.S.C § 119 (a) die Prioritätsanmeldung entweder von dem Erfinder selbst, von dessen Rechtsvertreter oder von dessen Rechtsnachfolger angemeldet worden sein.
Der U.S Court of Appeals for the Federal Circuit hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob der Anmelder bereits am Anmeldetag der Prioritätsanmeldung Rechtsnachfolger des Erfinders gewesen sein muss oder ob es ausreicht, dass dies erst zum Zeitpunkt des Einreichens der späteren Anmeldung der Fall ist (Boston Scientific Scimed v. Medtronic Vascular, Entscheidung vom 8. August 2007). Es wurde entschieden, dass der Anmelder der Prioritätsanmeldung bereits zum Zeitpunkt des Einreichens der Prioritätsanmeldung für den Erfinder gehandelt haben muss. Anderenfalls bestehe keine hinreichend enge Beziehung zwischen dem Erfinder und der Prioritätsanmeldung.
Mit dieser Entscheidung weicht die patentrechtliche Praxis in den USA von der deutschen und europäischen Praxis ab. Hier kann das Prioritätsrecht frei übertragen werden. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfinder der Prioritätsanmeldung und der Erfinder der späteren Anmeldung identisch sind.