In Europa ist das Urheberrecht nach dem Gebrauchsmusterrecht (das z.B. das Vereinigte Königreich gar nicht kennt) das am wenigsten harmonisierte Gebiet des geistigen Eigentums. Im Marken-, Geschmacksmuster- und Sortenschutzrecht existieren EG-Richtlinien und -Verordnungen, die für ein vereinheitlichtes Schutzniveau sorgen (Markenrechtsrichtlinie 89/104/EWG, Gemeinschaftsmarkenverordnung 40/94, Geschmacksmusterrichtlinie 98/71/EG, Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung 6/2002, Gemeinschaftssortenschutzverordnung 2100/94), ebenso für den Schutz von Halbleitertopographien und für ergänzende Schutzzertifikate (Halbleitertopographierichtlinie 87/54/EWG, Arzneimittelschutzzertifikatsverordnung 1768/92, Pflanzenschutzmittelzertifikatsverordnung 1610/96). Im Patentrecht gibt es abgesehen von der Biopatentrichtlinie 98/44/EG keine Harmonisierung auf EU-Ebene, jedoch sorgt das Europäische Patentübereinkommen ebenfalls eine weit gehende Gleichstellung in den Schutzvoraussetzungen für Patente in Europa. In allen diesen Rechtsgebieten lassen sich Aussagen über die Schutzfähigkeit von Schutzgegenständen treffen, die, von nationalen Rechten und Rechtsprechungstendenzen einmal abgesehen, grundsätzlich EU-weite Gültigkeit beanspruchen können.
Im Urheberrecht gibt es zwar zahlreiche EG-Richtlinien, von denen jede aber nur einen kleinen Ausschnitt des Urheberrechts regelt. So befasst sich die Schutzdauerrichtlinie 93/98/EWG speziell mit der Laufzeit von Urheberrechten, die Softwarerichtlinie 91/250/EWG brät eine Extrawurst für Computerprogramme usw. Wichtige Bereiche des Urheberrechts harren aber noch ihrer Harmonisierung. Hierzu gehört insbesondere die Inhaberschaft: Werke, die im Rahmen von Arbeitsverhältnissen geschaffen werden, stehen z.B. nach britischem Recht dem Arbeitgeber zu, nach deutschem grundsätzlich dem Arbeitnehmer (anders im Softwarebereich, wo die vollzogene Harmonisierung die Rechte dem Arbeitgeber zuschlägt, § 69d UrhG). Kreiert ein Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber ein urheberrechtsschutzfähiges Design, so gehören die Verwertungsrechte für Großbritannien dem Arbeitgeber, für Deutschland hingegen dem Mitarbeiter, sofern vertraglich nichts anders geregelt ist.
Zerklüftet ist die europäische Rechtslandschaft auch bei der angewandten Kunst. In Deutschland ist der Schutz hierfür anerkannt (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), in Italien war er es bislang nicht. Für ein- und dasselbe Design gab es also in nördlich der Alpen Schutz, südlich von ihnen nicht. Beispielsweise die berühmte „Chaise Longue“ (auch bekannt als „LC4“) von Le Corbusier wurde vom OLG Stuttgart als schutzwürdig angesehen (Urt. v. 28.11.1984 – 4 U 82/84), was ihr das Berufungsgericht Florenz (Corte di Appello di Firenze) verweigerte (Urt. v. 4.2.1989).
Es ist wenig verwunderlich, dass solche Schutzgefälle zuweilen die Grundlage für Geschäftsmodelle findiger Unternehmer bilden. Mit einem derartigen Modell hatte es der BGH in seinem Urteil „Wagenfeld-Leuchte“ zu tun: Ein italienisches Unternehmen vertrieb unautorisierte Nachbauten der besagten Leuchte von Wilhelm Wagenfeld – und zwar gezielt nach Deutschland. Um sich nicht dem Vorwurf der Verletzung des Verbreitungsrechts in Deutschland auszusetzen, war der Vertrieb so organisiert, dass die Übereignung in Italien erfolgte. Beim Grenzübertritt gehörte die Ware also schon dem Endverbraucher, wurde hierzulande also nicht mehr verbreitet. Dies fand den Segen der Vorinstanz des OLG Hamburg. Zwar weist das Verbreitungsrecht § 17 Abs. 1 UrhG nicht nur das Inverkehrbringen, also die eigentliche Verbreitung, sondern auch das öffentliche Anbieten ausschließlich dem Urheber zu. Wenn jedoch klar ist, so die Hamburger Richter, dass die angebotenen Artikel nicht im Inland in den Verkehr gebracht werden, könne der Schutzzweck des § 17 Abs. 1 UrhG nicht tangiert sein. Der BGH jedoch urteilte umgekehrt: Das nach dem Gesetzeswortlaut selbstständige Anbietungsrecht sei dem Urheber vorzubehalten, da andernfalls seine wirtschaftlichen Chancen bei der Werkverwertung gefährdet würden. Das Anbieten in Deutschland ist also auch dann verboten, wenn das anschließende Inverkehrbringen andernorts stattfinden soll (Urt. v. 15.2.2007 – I ZR 114/04).
Der für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH warf dabei einen Seitenblick in die Entscheidung „Simvastatin“, die der X. Zivilsenat unlängst zum Patentrecht gefällt hatte (Urt. v. 5.12.2006 – X ZR 76/05). Dort ging es darum, dass das Anbieten eines Generikums kurz vor Ablauf des Patentschutzes erfolgte, die Verkäufe aber erst nach Ende der Schutzdauer beginnen sollten. Auch hier entschieden die Bundesrichter zugunsten des Rechtsinhabers, sahen also im Anbieten als solchen schon die Rechte verletzt (s. unser Beitrag vom 30.1.2007).
Die beiden für das geistige Eigentum zuständigen („grünen“) Zivilsenate des BGH sind sich also darin einig, die Rechtsinhaber möglichst schon im Vorfeld drohender Umsatzverluste zu schützen. Dies ist erfreulich, schöner wäre allerdings eine europäische Harmonisierung des Urheberrechts. Immerhin ist Italien im Begriff, nun auch angewandte Kunst unter urheberrechtlichen Schutz zu stellen.